NDR 1 Hörfunk MV

2023-03-23 17:54:35 By : Mr. Carl Chen

Eigentlich waren die überschüssigen Nord Stream 2-Röhren für die Umgehung der Insel Bornholm gedacht. Nun lagern sie in Mecklenburg-Vorpommern. Die Nord Stream 2 AG ist insolvent, Anfragen laufen ins Leere.

von Martin Möller, NDR MV

Im Hafen Mukran hat das größte Erdgaspipelineprojekt Europas Spuren hinterlassen. 5.000 Erdgasrohre für Nord Stream 2 lagern unter freiem Himmel - akkurat gestapelt und rundum eingezäunt. Jede einzelne Röhre ist zwölf Meter lang, wiegt 24 Tonnen, besteht aus hochfestem Spezialstahl, hat den Einkaufspreis eines Kleinwagens. Das macht zusammen gut 75 Millionen Euro, was wiederum mehr als dem dreifachen Jahresbudget der Stadt Sassnitz entspricht. Die Kleinstadt hält 90 Prozent am Mukran Port, ist Hauptgesellschafter des Hafens Mukran.

Was mit den herrenlosen Röhren nun passiert, kann Bürgermeister Frank Kracht (parteilos) nicht sagen. Er habe auch nur aus der Presse erfahren, dass die Nord Stream2 AG Insolvenz anmelden musste. Anfragen bei der Nord Stream 2 AG in der Schweiz laufen gleich vollständig ins Leere. Nach dem sanktionsbedingten Konkurs sind alle Telefone und E-Mail-Adressen abgeschaltet. Auch das Schweriner Wirtschaftsministerium, zweiter Gesellschafter des Hafens, kann nicht weiterhelfen. Und so scheinen die 5.000 Röhren erstmal herrenlos.

Der Grund, warum sich die Röhren überhaupt in Mukran befinden, liegt nur knapp 100 Kilometer von Mukran entfernt. Dänemark hatte Nord Stream 2 den Bau in seinen Gewässern nahe Bornholm monatelang verweigert. Als Begründung führte die Regierung 2019 außen- und sicherheitspolitische Bedenken an. Nord Stream 2 gilt als trojanisches Pferd Russlands in Deutschland. Durch die Verweigerung geriet das kleine Königreich allerdings in die Mühlen der Geopolitik. Auf der einen Seite standen die Nord Stream 2-Gegner USA, Polen, die Ukraine und die Ostseeanrainer und auf der andere Seite Nachbar und Haupthandelspartner Deutschland und natürlich Putins Russland.

Die Nord Stream 2 AG in der Schweiz sorgte vor, plante eine weitläufige Umgehung dänischer Territorialgewässer. Dazu bestellte das Unternehmen mehrere tausend Erdgasröhren zusätzlich beim Röhrenproduzenten Europipe in Mühlheim an der Ruhr. Im Januar 2021 gab die Energiebehörde in Kopenhagen schließlich zähneknirschend doch noch die Baugenehmigung, nachdem Russland zusicherte, auch nach Fertigstellung der zweiten Ostseepipeline Erdgas durch die Ukraine nach Mitteleuropa zu leiten. Aber da waren die zusätzlichen Röhren schon geliefert und mit Beton ummantelt.

Ende vergangenen Jahres meldete die Nord Stream 2 AG, die Leitung sei nun endlich betriebsbereit, zwei Jahre später als geplant. Kurz darauf wurde sie mit sogenanntem technischem Gas befüllt und Drucktests durchgeführt. Was mit diesen 177 Millionen Kubikmeter Gas passiert ist ebenfalls unklar.

Eine Zweitverwertung der überschüssigen Pipeline-Rohre scheint schwierig. Baltic Pipe, das norwegisch-dänisch-polnische Konkurrenzprojekt, hat beispielsweise einen wesentlich geringeren Durchmesser. Zwar ist hochfester Spezialstahl teuer wie lange nicht mehr, aber dazu müsste die Betonummantelung entfernt und die Röhren in einem Stahlwerk aufwendig recycelt werden.

Der Stadt Saßnitz, die rund neun Millionen Euro Schulden hat, wäre eine Zweitverwertung der Röhren, zu ihren Gunsten, sicher willkommen. Im Hafen Mukran herrscht an den Kais außerdem gerade gespenstische Stille. Das Embargo gegen Russland hat den Umschlag auf ein Minimum reduziert. Das gerade begonnene Projekt "Neue Seidenstraße" ist ins Stocken geraten, denn die Schienenwege von China nach Mukran führen durch Russland. Der Weg steht zwar noch offen aber die Bezahlung der Transitgebühren an die russische Eisenbahn ist durch die westlichen Sanktionen kaum mehr möglich. Und so hat die kleine Stadt an Rügens Ostküste auch nach dem Ende von Nord Stream 2 weiter mit den Folgen globaler Geopolitik zu kämpfen.

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