Hofleuchten aus dem Allgäu: Die Lampenschmiede

2023-03-23 17:50:51 By : Ms. Ally Xu

Görisried - Eine Allgäuer Familie baut in ihrer Schmiede alte Hoflampen nach, wie sie früher auf fast jedem Hof leuchteten. Die anstrengende, aber ehrliche Arbeit hat die Familie zusammengeschweißt. Ein Werkstattbesuch.

Wenn Max Schneider einen Schnörkel schmiedet, schwingt er den Hammer wie ein Künstler. Mit der linken Hand hält er das Werkstück am kalten Ende. Mit der Rechten schlägt er zu. Immer wieder, konzentriert und treffsicher. Wie Knetmasse biegt sich der glühende Rundstahl unter den zarten Schlägen. Würde der junge Schmied so draufhauen, wie man es von ihm erwartet, wäre im Nu ein Knick im Stahl. Aber der Metallbauer hat genug Gelegenheiten, Dampf abzulassen. Etwa, wenn es um das Biegen der Rohre geht: 22 Millimeter Durchmesser, Wandstärke drei Millimeter. Da braucht es gehörig Kraft im Arm.

Mit der Schmiede in Görisried (Kreis Ostallgäu) haben Max Schneider, 21, und sein Vater Stefan, 49, ein altes Handwerk wieder zum Leben erweckt. Wenn man von dem einen oder anderen Schloss oder Beschlag absieht, fertigen sie nur ein Produkt: die historische Hoflampe.

Angefangen hatte es mit einem Mangel. Wie so oft. Vater Stefan, im Hauptberuf Elektromeister: „Ich wollte für unser altes Haus eine Außenleuchte. Wie man sie früher überall an den Häusern hatte.“ Aber er trieb keine auf. Nicht für kleines Geld. Auch nicht für großes. Als echter Allgäuer und fleißiger „Schaffer“ beschloss er: Bau ich selber. Wozu war man Handwerker?

Die traditionellen Hoflampen haben ihren Ursprung in der Zeit der Elektrifizierung um 1900. Kleine Dorfschmieden bauten die Leuchten in Handarbeit nach ihren Vorstellungen: mit runden und eckigen Bögen, mit Schnörkeln und Eichblattausläufern. Jede ein Einzelstück. Immer dran: der geschraubte Glaskolben. Er schützte die wertvolle Glühlampe vor der Witterung. Bald verfügte jeder Bauernhof in der Alpenregion mindestens über eine Leuchte. Im Laufe der Zeit stellte man sie industriell her, mit Gussteilen statt Schmiedeeisen, und inspiriert vom Art déco. Die Urmodelle jedoch blieben Kleinode der Handwerkskunst. Originalstücke sind heute selten – doch der Familienbetrieb Schneider sorgt als einer der wenigen für Nachschub.

Stefan Schneider hat viele Abende auf der Straße verbracht: alte Lampen im Allgäu gesucht, vermessen und fotografiert. Wer die Familie in Görisried – natürlich in der Schmiedestraße – besucht, für den sieht alles nach viel Tradition aus. Ein Haus mit Patina und Backsteinmauern, aus dem das Klanggewitter der Hammerschläge tönt. Draußen: verwitterte grüne Fensterläden, ein wettergegerbtes Tor. Drinnen: Stromleitungen auf Putz, eine uralte Werkbank, ein riesiger Amboss. Im Eck vorne das Herz der Schmiede: eine von Arbeit gezeichnete Esse, so schwer wie schwarz. Unter dem gewaltigen Rauchfang schwelt das Feuer und verströmt den typischen Geruch aus Eisen und Holzkohle. Stefan Schneider schaltet das Gebläse an. Unter sonorem Brummen fängt die Glut in der Esse leise fauchend an zu wachsen. Hellrot bis orange. Mit stiebenden Funken kündigt sich die Hitze an. Rund tausend Grad Celsius hat sie nun: perfekt. Schneider Junior trägt seinen Lederschurz nicht umsonst. Am Boden steht ein Wassereimer. Für alle Fälle.

Das lange Eisenrohr, das Max in die Esse hält, glüht nun. Der richtige Moment ist jetzt, nicht länger warten – „sonst verbrennt es“, erklärt Max. Während der Sohn das glühende Eisen in eine Form auf dem Amboss hält und oben die Gegenstücke – beides nennt man „Gesenk“ – hält, schlägt der Vater mit dem großen Hammer drauf. Einmal, zweimal, und wieder. Schwere, klirrende Schläge. Das Eisen verformt sich – und bekommt die gewünschte Rundung.

„Ich hab’s Handwerk gelernt, aber er ist halt mein Chef“, sagt Max grinsend. Fünf Minuten später der Vater: „Ich bin ja nur der Knecht hier, aber ab und zu darf ich maulen.“ Einerseits: Das Feixen ist das Spiel zwischen den beiden. Andererseits: Vater Stefan hat die Schmiede aufgebaut, Sohn Max macht derzeit seinen Meister als Metallbauer. Und wird sie übernehmen. In dem Running Gag steckt ein Körnchen Wahrheit, die alte Rivalität zwischen Vater und Sohn. In diesem Fall: eine sehr freundschaftliche.

Aber es bedarf auch weiblicher Hände. Mutter Susanne, 52, ist für die „weichen“ Bereiche des Familienunternehmens zuständig. Verpacken, verschicken, mit Kunden kommunizieren. Auch die Tochter hilft beim Schleifen, Polieren und Lackieren. Susanne hat für das Hoflampenprojekt sogar ihr Kosmetikgeschäft aufgegeben: „Hier wird meine Hilfe mehr gebraucht. Und ich mag das mit den Kunden“, sagt sie.

Auf dem Hof hat sie einen winzigen Laden eingerichtet, in dem man die Modelle begutachten kann. Viele Kunden kommen vorbei, denn so eine Lampe ist nicht etwas, was man „mal so schnell“ kauft. Es steckt viel Zeit in dem Produkt. Rohre ablängen, biegen, Wandhalter anschweißen. Gewinde vorbereiten, Schnörkel mit Schweißring befestigen, verschleifen. Millimetergenau muss alles sein, dafür haben sich die Schneider-Männer Lehrwerkzeuge gebaut. Später werden die Lampen außer Haus verzinkt, erneut geschliffen, lackiert, gebürstet. Oder mit Entkalker behandelt plus drei Tage im Regen: damit sich Flugrost bildet. „Manche Kunden wollen das so“, sagt Stefan.

Erst, wenn das alles gemacht ist, kommt der Strom. Im Obergeschoss der Werkstatt. Hier hängen Lampengestelle wie erlegte Rebhühner über einer Querstange, eines neben dem anderen. Vater Stefan verkabelt fachmännisch die Lampen. Mit wasserdichtem Silikonkabel, einer Edelfassung aus Keramik und nach CE-Norm. Moderne Technik bitte, wenn es um Sicherheit geht. Wenn dann Reflektor und Glaskolben mit Dichtung montiert sind, werden die Lampen noch einmal auf Herz und Nieren geprüft.

Ab 350 Euro ist man dabei. Und kann seine Terrasse oder seinen Eingangsbereich stilecht beleuchten. Wenn man den Arbeitsaufwand sieht: eigentlich nicht teuer. Bislang trägt Stefans Hauptjob das Leuchtenprojekt mit. „Ist eher unser Adoptivkind“, sagt er. Und lacht schallend. Vielleicht kriegt Junior Max das später hin, damit es langt. Aber angesichts der Freude, mit der diese Familie zusammen werkelt, ist das vielleicht gar nicht so wichtig.